Pferdepension Werdershausen
Der Ort will nicht so recht in die Gegend passen, in der die Namen von Ortschaften gern auf -itz enden oder auf -gk, falls sie der Einfachheit halber nicht gleich Sowiesodorf heißen. Werdershausen hingegen könnten Unkundige leicht im Thüringischen verorten, statt unweit von Köthen.
Zehn Kilometer entfernt liegt der Petersberg, jener bessere Hügel, der einst in der Schule als höchste Erhebung auf dem Breitengrad bis zum Ural gepriesen wurde, als handele es sich um eine weitere Errungenschaft des Sozialismus und der nun immerhin ein wenig Thüringen-Feeling vermittelt.
Werdershausen, 220 Einwohner, ist zwar ein properes Dorf, aber keines, das Auswärtige ohne weiteres besuchen, es sei denn, sie heißen Helmut Kohl und sind auf Wahlkampftour – oder sie interessieren sich für Taubenhäuser. Dann könnte es sein, dass sie bei Familie Breitschuh klingeln. Deren Haus ist leicht zu finden. Mit seinen Mauern aus roten Porphyr-Bruchsteinen fällt es unweigerlich auf.
Das war nicht immer so. Als die Breitschuhs das Haus vor Jahren für sich entdeckten und sich umgehend darin verliebten, war der ehemalige Vier-Seiten-Hof völlig heruntergekommen. Das Haus hatte lange leergestanden, der volkseigene Lebensmittelladen war längst ausgezogen, die Gaststätte mit Saal noch viel länger Geschichte. „Repariert wurde, wenn überhaupt, wie in der DDR üblich“, feixt Thorsten Breitschuh. „Ein Fenster war kaputt? Macht nichts, wird es zugemauert. Fenster gab es schließlich nicht.“
Breitschuh hat Landwirtschaft in Halle studiert, ein Haus im Dorf hatten seine Frau und er schon länger gesucht, als sie eines Tages zufällig durch Werdershausen fuhren – und wussten, dass sie dieses Haus und kein anderes wollten. Sie waren Mitte zwanzig und das Jahrhundert in der Mitte der 90iger, als sie das Haus kauften. Ob sie das Vorhaben nicht etwas unterschätzt hätten? Nein, beteuert Breitschuh, das könne jeder schaffen und ohnehin – wenn man einmal angefangen habe, gebe es kein Zurück mehr.
Der Hof, das Haus sind dennoch seit Jahren eine Baustelle. Derzeit wird ein ehemaliger Seitenflügel, dessen Mauern nach und nach in sich zusammen fielen, mit LEADER-Förderung zu einer Pferdepension umgebaut. Breitschuh führt über die Baustelle in den Hof. Dort steht, aus schwerem Stein gemauert, ein Gebäude, dessen Anblick an einen Wehrturm denken lässt. Tatsächlich, klärt Breitschuh auf, handele es sich um ein Taubenhaus, das in seiner wuchtigen Erscheinung so gar nichts zu tun hat mit den sonst üblichen eher zierlichen Holzkonstruktionen.
Nach dem Kauf arbeiteten sich die Breitschuhs durch das Haus, richteten ein Zimmer nach dem anderen her. Um Geld zu sparen, erinnert sich Thorsten Breitschuh, habe man die neu gebauten Fenster selbst gestrichen – in einer leerstehenden Wohnung im Hallenser Paulusviertel. Dass sein Vater gelernter Maurer war, sollte sich als hilfreich erweisen.
Um welche architektonische Perle es sich bei dem einstigen Hof handelte, war den Ämtern zunächst entgangen. Irgendwann stellten Breitschuhs aber verblüfft fest, dass ihr Haus unter Denkmalschutz gestellt worden war. Was einst als Schandfleck galt in Werdershausen, wird heute als „ortsbildprägend“ angesehen – und wäre ohne die Breitschuhs wohl früher oder später verschwunden.
Thorsten Breitschuh
Gröbziger Str. 15
06388 Stadt Südliches Anhalt OT Werdershausen
Fon: 034976 22150